Unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten ein kindgerechtes Leben ermöglichen!
Die Kreistagsfraktionen DIE LINKE. und Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben gemeinsam mit dem SPD-Kreisrat Sören Wittig den Antrag „Unbegleiteten Minderjährigen ein kindgerechtes Leben ermöglichen“ eingebracht:
Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.
Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst.
Worte, die in der vergangenen traditionsreichen erzgebirgischen Weihnachtszeit, häufig zu hören waren. Nur sind diese Worte schnell gesagt, um einzig Licht in unsere Weihnachtszeit zu tragen? Oder sollen diese Worte nicht Licht und Wärme in unsere Herzen tragen und dies weitergeben? Licht und Wärme, die vielen Menschen nicht zur Verfügung standen, als unsere Straßen hell erleuchtet, die Häuser gut geheizt, der Tisch voller Speisen stand und die Augen unserer Kinder unter dem Gabentisch glänzten.
Glanz war auf den Bildern in den Kinderaugen aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln Lesbos, Chios, Samos, Leros und Kos – die um die Welt gingen, als wir fröhlich das Weihnachtsfest begingen und unseren Wohlstand zelebrierten – nicht zu sehen.
Die Situation in den Flüchtlingslagern (EU-Hotspots) auf den benannten griechischen Inseln ist seit Jahren Gegenstand scharfer Kritik. Über 42.000 Menschen leben dort unter katastrophalen Bedingungen in Lagern, die für nicht mehr als 9.500 Personen ausgestattet sind. Die medizinische Versorgung ist völlig unzureichend, so dass die Menschen ohne die Unterstützung von NGOs wie Lesvos Solidarity oder Ärzte ohne Grenzen weitgehend auf sich allein gestellt wären. Monate oder Jahre müssen die Geflüchteten auf einen Asylbescheid oder ihre Anhörung warten und in überfüllten Großraumzelten ausharren. Ferner sind sie Gewalt ausgesetzt und müssen ein Leben in extremer Armut führen. Für alle Betroffenen ist die Lage in den Camps unzumutbar. Besonders verletzlich sind in dieser Situation allein reisende Frauen, Menschen mit Behinderung, Kranke und Kinder.
In Griechenland leben zurzeit über 5.300 unbegleitete Minderjährige, für die es nach Angaben der Europäischen Kommission nur rund 2.200 Unterbringungsplätze gibt. Etwa 3.000 haben keinen Unterbringungsplatz bekommen. Schätzungen zufolge leben 1.000 von ihnen auf der Straße und fast 2.000 in den Hotspots, ohne Bildung und ohne angemessene Betreuung. Diese Zustände widersprechen allen Regeln und Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention.
Im Herbst 2019 hatten zahlreiche zivilgesellschaftliche Initiativen unter dem Hashtag #wirhabenplatz von der Bundesregierung gefordert, dass Minderjährige aus Griechenland in den Kommunen aufgenommen werden können, darunter das Deutsche Kinderhilfswerk, PRO ASYL, die Diakonie Deutschland, der PARITÄTISCHE Gesamtverband, die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, terre des hommes Deutschland, der Verband binationaler Familien und Partnerschaften sowie der Bundesfachverband unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (BumF).
Das Land Niedersachsen hat inzwischen die Aufnahme von 100 Kindern zugesagt, Berlin von 70 und Thüringen von 25. Aufnahmebereite Kommunen und Bundesländer sind auf die Zustimmung des Bundesinnenministeriums angewiesen, um bestimmte Einreisekontingente zu ermöglichen. Angesichts der dramatischen Lage hat auch die EU-Kommission Deutschland und andere EU-Staaten aufgefordert, Kinder und Jugendliche aus den Hotspots aufzunehmen. Bis dato leider ohne Erfolg.
Der Erzgebirgskreis sei einer der attraktivsten Standorte zum Leben, war kürzlich zu lesen. Die Verwaltung des Erzgebirgskreises hat zur Bearbeitung der Flüchtlingsaufgabe seit dem Jahr 2015 effiziente Strukturen schaffen können, die es ohne Zweifel zulassen, dieser Aufgabe – auch aus unserer humanitär christlichen Tradition heraus – gerecht zu werden. Ermöglichen wir es wenigstens 30 unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen Flüchtlingslagern, ein kindgerechtes Leben zu führen.
Der Kreistag des Erzgebirgskreises möge daher beschließen:
1. Der Kreistag des Erzgebirgskreises stellt fest, dass die menschenunwürdigen Lebensbedingungen in den griechischen Hotspots weiterhin untragbar und unvereinbar mit den Menschenrechten sind.
2. Der Kreistag des Erzgebirgskreises sieht die Europäische Union, die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesländer sowie auch die Kommunen in der Verpflichtung, sofortige Maßnahmen nach ihren Möglichkeiten zu ergreifen, um den oben beschriebenen Zuständen ein Ende zu setzen.
3. Der Kreistag des Erzgebirgskreises erklärt, dass der Landkreis bereit ist, hierzu einen Beitrag zu leisten und mindestens 30 unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus Griechenland aufzunehmen.
4. Der Kreistag des Erzgebirgskreises betrachtet das aktuelle Verteilungssystem von Geflüchteten innerhalb der EU als ungerecht, ineffektiv und unsolidarisch.
5. Der Kreistag des Erzgebirgskreises fordert den Landrat und die Verwaltung auf,
a) sich beim sächsischen Innenministerium und dem Bundesinnenministerium dafür einzusetzen, dass die Aufnahme von mindestens 30 unbegleiteten Minderjährigen aus den griechischen EU-Hotspots im Erzgebirgskreis genehmigt wird,
b) sich auf der sächsischen Landesebene dahingehend einzusetzen, dass das Land Sachsen auf Bundesebene den Entwurf und die Zielsetzung der Bundesratsinitiative der Länder Berlin und Thüringen zur Änderung des § 23 Absatz 1 Aufenthaltsgesetz (Bundesrats-Drucksache 482/19) für eine rechtliche Vereinfachung der Landesaufnahme unterstützt,
c) sich auf der sächsischen Landesebene dahingehend einzusetzen, dass das Land Sachsen darauf drängt, dass auf Bundes- und europäischer Ebene Initiativen gestärkt werden, dass der UNHCR finanziell und mit Sachmitteln so ausgestattet wird, dass die Situation in den Hotspots massiv und sofort verbessert werden kann.