Einrichtung eines Suchtbeirates: Abgelehnt

Aufbauend auf eine Antwort seitens des Landrates auf unsere Anfrage zum Suchtverhalten im Erzgebirgskreis, führte unsere Fraktion im vergangenen Jahr eine Gesprächsrunde mit Akteur:innen aus dem Suchtbereich durch. Dabei kamen viele Problemstellungen zutage, beispielsweise, dass die vorhandenen Gremien und Arbeitsgemeinschaften größtenteils schon seit längerem nicht mehr statt gefunden haben. Stattfindende Treffen zu aktuellen Tendenzen bringen die Akteur:innen oft nicht weiter, da die Treffen nicht interdisziplinär besetzt sind. Außerdem betreffen manche Arbeitskreise nur lokale Projekte (bspw. der Arbeitskreis Sucht der Großen Kreisstadt Annaberg).

Während unserer Gesprächsrunde mit den Akteur:innen entstand die Idee einen Suchtbeirat auf Landkreisebene zu bilden, um eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den vielen haupt- und ehrenamtlichen Akteur:innen im Landkreis zu ermöglichen. Wir streben ein einheitliches Verständnis für Abhängigkeitserkrankungen und deren psychosozialen Folgen an, so dass alle Beteiligten »an einem Strang ziehen« und nicht völlig konträre Hilfe/Maßnahmen beauflagt werden.

Mit der Unterstützung einiger Organisationen im Suchtbereich reichten wir unseren Antrag Anfang Januar beim Landrat ein. Aus formellen Gründen sahen wir im Austausch mit der Landkreisverwaltung von einer Gründung des Beirates mit Festschreibung in der Hauptsatzung des Kreistages ab. Wir kamen der Verwaltung insofern entgegen, dass wir den Beirat erstmals als Arbeitsgemeinschaft zum Laufen gebracht hätten.

Zur Sitzung des Ausschusses für Familie, Bildung, Gesundheit und Soziales Anfang März wurde unser Antrag im öffentlichen Teil diskutiert. Seitens der Verwaltung verwies der Abteilungsleiter für Soziales und Ordnung Herr Reißmann auf die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) und brachte somit seine negative Stellungnahme zu unserem Antrag zum Ausdruck. Ein Beirat würde zu Doppelstrukturen führen; es gäbe genug Tische, an denen die Akteur:innen ihre Sorgen und Nöte besprechen könnten.
Dass bspw. die vier Suchtberatungsstellen (mit regional teils unterschiedlichen Schwerpunkten und Strukturen) nur eine Vertreter:in in der PSAG haben, dass die bestehenden Arbeitsgemeinschaften und Gremien fast ausschließlich im Bereich der Präventionsarbeit tätig sind und die Bereiche Behandlung, Stabilisierung und Nachsorge vernachlässigt sind, kam nicht zur Sprache. Auch nicht, dass die vielen Menschen, die ehrenamtlich in Selbsthilfegruppen organisiert sind um Menschen mit einer Suchtkrankheit zu helfen, keine Plattform haben.

Wir beantragten Rederecht für Frau Kundt von der Suchtberatungsstelle Stollberg, die aus der Praxis berichtete und aus ihrer Perspektive schilderte, welche Argumente für einen Beirat sprechen: Sie sagte, es benötige eine bessere Vernetzung und einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch der vorhandenen interdisziplinären Angebote; eine Bildung eines einheitlichen Verständnisses von Abhängigkeitserkrankungen und der psychosozialen Folgen; eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit durch Bündelung von Ressourcen; die Schaffung und/oder Anpassung von Hilfs- und Unterstützungsangeboten entsprechend des tatsächlichen Bedarfs im Landkreis und der effiziente Einsatz von Finanzmitteln sowie eine kontinuierliche Qualitätskontrolle der vorgehaltenen Hilfen und Projekte, sei notwendig.

Anschließend folgte eine kurze Aussprache zwischen den Ausschussmitgliedern, die zeigte, dass sich offensichtlich nur sehr wenige im Vorfeld mit Akteur:innen im Suchtbereich auseinandergesetzt haben. Die einhellige Meinung war (natürlich nicht unsere beiden Vertreter:innen), dass es Gremien gibt und diese ja reichen. Der Wunsch nach einem aktiven Austausch für eine Zusammenarbeit mit allen beteiligten Akteur:innen – sei es haupt- oder ehrenamtlich – und die absolut notwendige Vernetzung, wurde bis auf die Stimmen unserer Fraktion, von allen anderen Kreisrät:innen und vom Landrat abgelehnt.

In der Folgewoche gab es ein Telefonat zwischen dem Abteilungsleiter Herrn Reißmann und unserer Kreisrätin Karoline Loth. Herr Reißmann skizzierte im Ausschuss, dass es die Möglichkeit gäbe, dass die Akteur:innen sich in Arbeitsgemeinschaften des Projektes »Lebenswelten« der GKV einbringen könnten. Drei von fünf möglichen AGs gibt es im Landkreis und der Referatsleiter meint, dass sich die Akteur:innen im Suchtbereich aufteilen und ihre Probleme – neben einigen anderen Themen – in die verschiedenen AGs einbringen könnten. Das dies bei einem so komplexen und vielfältigen Thema wenig Sinn ergibt, dürfte klar sein. Unser Anliegen war es also, dass sich eine der zwei noch nicht definierten Arbeitsgemeinschaften zum Thema Sucht unter dem Dach der GKV bilden könnte. Jedoch stellte sich im Gespräch mit Herrn Reißmann schnell heraus, dass dies nicht gewünscht sei. Er bot an, dass es eine Gesprächsrunde mit ihm und allen haupt- sowie ehrenamtlichen Akteur:innen geben könnte, um die Nöte auf den Tisch zu bringen. Dieses Angebot haben wir angenommen und unseren Antrag an den Kreistag vorerst zurück gestellt.

Wieso haben wir den Antrag zurück gezogen? Zum einen hat der Ausschuss zum jetzigen Zeitpunkt ein klares Votum gegen unseren geforderten Suchtbeirat abgegeben. Es ist davon auszugehen, dass es auch zum Kreistag kein anderes Abstimmungsergebnis geben wird. Unser Antrag wäre bei einer Ablehung für ein halbes Jahr zur Wiedereinbringung gesperrt. Zum anderen ist unser Ziel natürlich dieses, dass wir Verbesserungen für die Akteur:innen sowie auch die Menschen, die von einer Suchterkrankung betroffen sind, erreichen wollen. Dieses Ziel können wir nur erreichen, wenn bei der Verwaltung und den Kreisrät:innen das Verständnis eingetreten ist, dass die aktuellen Strukturen dringend evaluiert werden müssen und auch die vielen ehrenamtlich Engagierten beteiligt werden müssen.

Es bleibt gemeinsam mit den Vereinen, Selbsthilfegruppen und Suchtberatungsstellen, die sich öffentlich zu unserem Antrag bekannt haben, noch einiges an Lobbyarbeit zu leisten, um dieses Ziel zu erreichen. Wir hoffen außerdem auch, dass wir mit der Zugänglichkeit dieses Themas in der Öffentlichkeit die Zivilgesellschaft sensibilisieren können. Dass die Klient:innen keine Stigmatisierung, Kriminalisierung, Ausgrenzung und Ablehnung durch die Gesellschaft mehr erfahren müssen. Es bleibt noch ein weiter Weg zu gehen. Wir halten euch auf dem Laufenden.

 

  • Text von Karoline Loth